Die Welt der Kunst ist merkwürdig bestellt, eine große Scheu überfällt sie immer dann, wenn es um die Darstellung des allzu menschlichen geht. Wenige Ausnahmen bestätigen diese Regel, sobald es um die detailgetreue Darstellung menschlicher Fortpflanzungssitten geht, scheut der Künstler aus Angst vor Sitte und Moral. Die Grenze zwischen Kunst und Pornographie ist schwer zu ziehen, strenge Sittenwächter achten seit Jahrtausenden darauf, dass der Künstler seine Schranken wahrt.
Nur im alten Peru scheinen die Sitten anders gewesen zu sein, vor allem beim Volk der Mochica geht es gelassener zu und nichts aber auch gar nichts ist den Künstlern, vor allem den vielbewunderten Töpfern dieses Altperuanischen Volkes fremd. Staunend (und kichern) stehen wir vor den unglaublichsten und doch ebenso selbstverständlichen Darstellungen des alltäglichen Lebens ihrer Zeit. Gebärende sind ebenso gezeigt wie <Frauen mit gewaltigen geöffneten Schößen, deutlich ist dabei zu sehen, dass die Mochica von Klitorisbeschneidungen nichts hielten. Immer wieder stoßen wir auf Grabfunde, in kleine Nischen beigegeben, von ehelichem Koitus, daneben immer wieder auf die bei den Mochica offensichtlich sehr verbreitete Darstellung des analen Koitus, die Spanier waren ebenso unangenehmen von diesen Keramiken berührt, wie die Inka, als diese sich die Küstenvölker unterwarfen. Homosexualität schient gang und gebe gewesen zu sein und auch das uns sonst eigentlich nur aus der indischen Kunst bekannte Liebesspiel(oder eine Art Ritualakt) zwischen Mann und Tier sind nicht unbekannt.
Aus diesem Zusammenspiel verschiedenster Arten soll der Mochica sich bei den Hochlandlamas mit einer Krankheit angesteckt haben, welche die Spanier mehr fürchteten als alles andere, der Syphilis. Das Hirten in der Einsamkeit auf ihre Tiere zurückgreifen, ist sicher nicht nur im Mochicaland üblich gewesen, ich erinnere mich sehr gut an „Padre Padrone“, dieser subtilen Geschichte, welche auf Sardinien spielt. Oder an Traudel Egers Reaktion auf nubische Jungen, welche offensichtlich den Dorfhühnern unsittlich zusetzten.
Syphilis ist tatsächlich oft dargestellt, entsetzliche Wunden und Pockenähnlichen Merkmale sind zusehen, vom Wahnsinn entstellte Gesichter. Das erstaunliche aber ist, dass diese so gezeichneten Figuren auch als Begleiter in die Totenkammern mitgegeben wurden. Neben den sich befriedigenden Gerippen, also durch zu viel Sex völlig ausgemergelten Gestalten, sind die Kranken die wohl merkwürdigsten Begaben der Mochica für ihre Erben.
Es ist schon erstaunlich, wie viele der Keramiken mit diesen Themen beschäftigt sind, daneben gibt es dann die unzähligen Krugköpfe, edle Personen mit schönem Gesichtsausdruck, aber auch unzählige Krüge mit wunderbaren, oft kriegerischen Malereien. Diese sind unterschwellig mit eigenartigen kleinen Bohnenformfigürchen ausgestattet, die vermuten lassen, die die Mochica die ersten waren, welche in Südamerika an so etwas wie eine Schrift geraten waren.
Oft abschreckend, ist die Kunst Süd- und Mesoamerikas uns eigentlich immer recht fremd gewesen. Nur ausgerechnet da, wo sie uns mit Menschlichem und allzu Menschlichem begegnet, treten wir ihr nun betreten gegenüber, dabei liegt in diesen Darstellungen vielleicht sogar der Schlüssel zu ihrem Verständnis.
Alle gezeigten Figuren befinden sich im für meine Begriffe interessantesten Museum von Peru, dem Museo Rafael Larco Herrera in Lima. In einem herrlichen Garten lässt es sich wunderbar zu Mittag oder zu Abend essen, dort ist gut lesen und gut träumen, und das Museum ist sogar bis abends um 21 Uhr geöffnet. Sollten sie als oder Angst unterliegen, beim Betrachten der wunderbaren Keramiken von ihrem Nachbarn erwischt zu werden, gehen sie einfach nach Feierabend zur Kultur- und Nabelschau in Lima.