1933 schreibt der Amerikaner James Hilton seinen Roman „The lost Horizon“ und seitdem sucht alle Welt nach diesem geheimnisvollen Ort, diesem Shangri- La, einem Ort irgendwo im Himalaya, regiert von einem weisen Herrscher, die Luft erfüllt von Gongs und Trommelschlägen, unter dem klaren Himmel leuchten die weißen Bergspitzen. Warum nun Josepf Rock der Meinung war, dass dieses Shangri- La nun in der Nähe des alten Ringha – Klosters und des Gedan Songzan Klosters zu finden sei, ist mir auch nach dem Besuch der dortigen Klöster ein Rätsel, für mich liegt dieses Shangri – La eher in Tibet oder vielleicht Ladakh, und auch wenn Chinas Regierung beschlossen hat, die alte, an der Tee- Pferde- Straße gelegene alte Handelsstadt Deqen in Shangri- La umzubenennen, fällt es mir sehr schwer, zu glauben, das Hilton jemals von diesem Tal gesprochen hat. Die Klöster sind zweifellos auch nach ihrer Zerschlagung und dem Wiederaufbau sehr imposant bzw. interessant, aber die Landschaft gleicht eher einem lieblichen Allgäu als der Vorstellung, welche man von Himalaya im Allgemeinen hat.
Kaum hat man die völlig überlaufene Tigerschlucht hinter sich (bei einer von mir konzipierten Reise wären wir morgens um 7 dort gewesen), steigt die Straße an, die Landschaft ist weniger abweisend, schöne bestellte Felder breiten sich aus und die Häuser werden immer imposanter, hier beginnt deutlich der tibetische Einfluss, die buddhistischen Glückszeichen des Himalaya sind an den Häusern zu sehen, allerdings fehlen die Penisbilder Bhutans. Doch der Glücksknoten, der Ehren- bzw. Siegesschirm und das Rad der Lehre tauchen auf. Die Häuser sind riesig, unter dem relativ flachen Dach erblickt man Kräuter oder Mais, aufgehängt zum Trocknen, gut aussehendes Vieh zeigt sich auf den Wiesen und Weiden, erste echte Yaks tauchen auf und überall tummeln sich Schweine.
Das Ende der Regenzeit lässt die Wolken tief hängen, nie sind schneebedeckte Berggipfel zu sehen. Man ist froh, die modern- scheußliche Stadt Schangri-La hinter sich gelassen zu haben, noch wenige Kilometer und wir steigen in der für mich schönsten Hotelanlage Chinas aus. Mehrere dieser großen tibetischen Bauernhäuser sind abgetragen und hier von den gleichen Familien originalgetreu wieder aufgebaut worden und werden als Banyan Tree Ringha angeboten. Ein schöner Blich auf den tief gelegenen Fluss, ein schönes Haupt- und daneben Restauranthaus, alle Häuser doppelstöckig. Dass ich nach all meinen Reisen einmal sagen kann, ich hätte Tränen in den Augen gehabt beim Bezug meines Zimmers kann ich wirklich nicht behaupten, aber hier entsprach es der Tatsache.
Dunkle Boden- und Deckenbalken, chinesisches Mobiliar, alles sehr geschmackvoll und trotzdem praktisch, liebevolle Details, ein geniales Badezimmer im unteren Stock, über eine alte knarrende Holztreppe zu erreichen, hier war ein Genie am Werk.
Aber bei aller Schönheit muss ich zuerst ins Dorf, kein Kitsch, keine Folklore, Bauern, Schafe mit hübschen rosa Bändchen im Ohr, wieder überall die schwarzen Schweine. Gewaltige Spießgestelle auf den Feldern zum Trocknen der Ernte, des Getreides oder der Kräuter, Frauen mit roten Turbanen bestellen die Felder, Yaks und ihre Zwischenzüchtungen tragen merkwürdige Nasenringe und entfernen sich, sobald sie den Fremdling wittern.
Grund, dieser Umgebung seine Aufwartung zu machen, ist der wohl eindrucksvollste tibetische Tempelkomplex Chinas außerhalb des eigentlichen Tibet. Hier in der tibetischen Region von Deqen gehören die Tibeter schon seit Ewigkeiten zum chinesischen Reich, politische Probleme scheint es nicht zu geben, die Bilder des Dalai Lama liegen in den Klöstern aus, welches in Tibet momentan undenkbar ist. Die riesige, dem Potala von Lhasa nachempfundene Anlage wirkt schon von weitem großartig. Goldene Dächer hoch über den Wohnvierteln der Mönche, goldene Rehen, das Rad der Lehre in die Mitte nehmend, von weitem könnte man glauben, der Tempel sei aus alter Zeit auf uns gekommen. Dass dem nicht so ist, sieht man an den Details, sobald man näher kommt, in der Kulturrevolution wurde auch hier alles von den fanatisierten Garden kurz und klein geschlagen, die Mönche vertrieben, umerzogen oder einfach umgebracht. Erst in den achtziger Jahren erstand die Anlage neu, der Phönix erhob sich aus der Asche, erstrahlt in neuem Glanz.
Wer nie den Potala oder Tibet sah, lässt sich täuschen. Mir gefällt das kleine, in unmittelbarer Hotelnähe gelegene und viel ältere Ringhakloster viel besser, auch wenn es ich wieder nicht um das Original handelt. Bauern kaufen, um ihr Kama aufzubessern, den Schlachtern Hühner und Kaninchen ab, bringen sie in dieses Kloster, wo die seltsamsten Hennen, Hähne und Karnickel wild herumstreichen, jetzt ihres Lebens sicher, Ziegen streifen vor den Toren, ein lustiger, etwas verwilderter Pilger umschreitet das Kloster, Altäre stehen rauchgeschwärzt unter tausenden von Gebetsfahnen , welche im Winde flattern und schwer vergoldetet Dächer tragen das ihrige bei zu der wunderschönen und friedlichen Atmosphäre am späten Nachmittag.
Gerettete Hühner im Ringhakloster
Ich werde wiederkommen, mit einer kleinen Gruppe interessierter, und wir werden weiterfahren Richtung tibetische Grenze, wir werden zu einer anderen Zeit kommen, wenn die Chancen besser stehen, den Meiliberg zu sehen, den Rock als den schönsten Berggipfel des Himalaya beschrieben hat. Und dann bleiben wir natürlich drei Nächte, denn das Hotel Ringha ist wirklich zu schön, um es jemals wieder vergessen zu können.