Die Reconquista, Spaniens christlicher Versuch, die Halbinsel der Iberer wieder von den Arabern zu befreien, ist der Alptraum eines jeden spanischen Schülers und der Reisenden. Überall begegnet einem dieses Wort, erst 1492 mit der endgültigen Vertreibung der Araber aus Granada, war die Reconquista abgeschlossen.
Avila, Toledo und Segovia, diese Perlen des mittleren Spanien, fielen zwischen dem Jahre 1000 und 1100 den Christen in heftigen Kämpfen zu. In der Hochblüte der Romanik erhielt Avila damals eine schönste Kirche, die großartige Basilika von San Vincente. Schmale, manieristisch langgestreckte Heilige in angeregtem Disput begrüßen einen an der Pforte, umrahmt von großartigen Schmuckbändern, diese durchaus noch unter arabischen Einfluss stehend. Man steht und staunt und glaubt kaum, dass solche Kunstschätze der frühen Zeit der Christen so unbeachtet in der kastilischen Ebene zuhause sind.
Hauptanziehungspunkt der mittelalterlichen Pilger aber war der unglaubliche Schrein des heiligen Vincente, der hier mit seinen Geschwistern dargestellt und bestattet ist, alle drei wurden durch zerdrücken der Schädel ins Paradies befördert. Der Drang zum Märtyrertum war seit den frühen Tagen der Christenheit bei den Anhängern dieser Religion so beliebt wie es heute nur noch bei den Zöglingen der falschen Anhänger Mohammeds ab und zu anzutreffen ist. Nur in Irland hat das nicht funktioniert, aber das ist ein anderes Thema.
Die intensiven Farben, die eindrucksvollen und sehr lebendigen Gesichter, die großartigen Details, alles überrascht und macht diesen Schrein zu einem der großen Bildwerke des Hochmittelalters nicht nur in Spanien. Eines meiner Lieblingsmotive vom Jakobsweg taucht auch hier auf, ein Engel weckt die unter einer Decke liegenden heiligen drei Könige aus dem Schlaf. Ich habe mich immer gefragt, ob es dem Künstler nicht aufgegangen ist, dass es sich mit Kronen nur schwer schlafen lässt, auf jeden Fall sehen die Drei immer sehr überrascht aus, wenn man sie aus dem Bette holt.
In Avila findet sich das vielleicht geschichtlich betrachtet bedeutendste Renaissancegrabmal der spanischen Halbinsel. Denn hier liegt der Grund begraben, dass das Haus Habsburg überhaupt in der Figur Karls V, den die Spanier den Ersten nennen, im Lande der Kastilier auftaucht und das Reich erbt, in dem die Sonne nie untergeht. Das Grabmal gehört dem jungen Johann, Sohn der Katholischen Könige, welcher nach seiner wohl zu heftig gefeierten Hochzeit mit Margarethe von Österreich mit nicht einmal 21 Jahren verstarb. So kam der Thron an Johanna, welche wir als die Wahnsinnige bezeichnen und dank ihrer unheilbaren Krankheit eben an ihren Sohn. Johanna hatte Philip von Habsburg geheiratet und so ging das Schicksal damals merkwürdige Wege.
Die Gräber der Eltern von Johann fanden schließlich ihren letzten Platz in der Grabkapelle von Granada, aber da Johann in Avila groß geworden war, war es sein eigenster Wunsch, in dieser Stadt begraben zu werden.
Avila, umgeben von seinen festen Mauern, fast neunzig Wehrtürmen, in herrlicher Landschaft gelegen, in der Steine und Heilige wachsen. Avila, jedem Katholiken bekannt als Geburtsort der Kirchenlehrerin Theresa von Avila. Und mir bekannt seit 31 Jahren, aber ich war über 20 Jahre lang nicht mehr dort gewesen…