Seit kurzem ist das alte Ahmedabad zum Weltkulturerbe gekürt worden. Als erste Altstadt Indiens. Mit einer kurzen Frist noch für zwei Jahre, dann wird eine Überprüfung stattfinden, und die völlig heruntergekommen Altstadt wird sicher wieder von der Liste gestrichen werden. Dichtgedrängt wälzen sich die endlosen Massen, die Menschen, Motorräder und Tuk Tuks durch die engen Gassen, die alten, wunderschönen geschnitzten Havelis, die Kaufmannshäuser sind völlig verfallen. Von Modis „Swatch Bharat“, der Kampagne für ein sauberes Indien, ist hier nichts zu spüren, der Dreck liegt meterhoch auf den Straßen, Milane und Hunde stürzen sich auf die Müllberge, Kühe stehen bis zum Knie in Plastik.
Das 1411 von Sultan Ahmed gegründete Stadtensemble mit duzenden von traumhaften Moscheen, über 600 Gassen, den sogenannten Pole, seinen Stufenbrunnen und Heiligengräbern könnte die Perle sein unter den islamischen Städten im nord-westlichen Indien. Aber die Perle bröckelt traurig vor sich hin.
Die Spezialität des Gujarat sind die wunderschönen Stufenbrunnen. Ihre Tradition geht auf die Hindudynastien zurück, schon im 10ten und 11ten Jahrhundert wurde die tempelartigen Brunnen tief in die Erde gebaut, um an das kostbare Grundwasser zu gelangen. Der vor nicht allzu langer Zeit erst wiederentdeckte Brunnen Rani ki-Vav, der Stufenbrunnen der Königin bei Patan ist das schönste Beispiel. Knapp drei Stunden von Ahmedabad entfernt liegt er in relativer Nachbarschaft zum Sonnentempel von Modhera. Seine vor allem Vishu geweihten Statuen sind ein Traum aus weichem gelbem Sandstein.
Unter dem Ahmediniden wurden diese Brunnen von Hindubaumeistern für islamische Auftraggeber auch in und um Ahemdabad, der damaligen Hauptstadt, geschaffen, man verzichtete jetzt zwangsweise auf den hinduistischen Götterreigen und schuf wunderschöne Elemente, die dem Islam genehm waren. Geometrische Motive, Rankwerk und zauberhafte Lebensbäume, welche auch die endlosen Moscheen und Tor der Stadt zieren, sind das schönste Motiv aus dieser Epoche.
Treppen führen hinunter zu einem großen, meist runden Wasserbecken, die Treppenhäuser sind überbrückt von steinernen Übergängen, eine Art Palast entsteht, aber eben unter der Erde. Theatralisch sind die unteren Räume, die eigentlichen Brunnenschächte, endlose Balkone voller Zierwerk, man möchte die Entführung aus dem Serail aufführen, hier ist der Orient noch rein und unglaublich ästhetisch.
Wie hoch muss der Respekt, muss die Verehrung vor dem lebensnotwendigen Element Wasser gewesen sein, wenn man ihm solche Tempel- oder Moscheeähnlichen Brunnen erbaute. Wenn man die heutigen völlig verdreckten Gewässer Indiens betrachtet und die Betrachtung allein dem Besucher Tränen in die Augen treibt, kann man nicht glauben, dass Indien einstmals der Welt die schönsten Brunnen schenkte, die von Menschenhand erschaffen wurden.
P.S. Stufenbrunnen gibt es auch in Rajasthan bei Abanheri zwischen Agra und Jaipur, Bundi und Jodhpur weisen ebenfalls traumhafte Brunnenanlagen auf.
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