Invergordon ist so ziemlich der langweiligste Hafen, den man auf einer Kreuzfahrt anlaufen kann. Nur wegen Nessy muss ein Schiff hierher, diesem mystischen Drachengebilde, welches noch niemand sah und auch niemals jemand sehen wird.
Also auch hier große Recherche und auf in das Herz eines wilden und archaischen Schottland. Wir verlassen das Schiff für einen zweitägigen Überlandausflug von Invergordon nach Edinburgh, zu den Steinkreisen von Culloden und den Bilderstelen der Pikten, der keltischen Ureinwohner Schottlands. So erleben wir statt Nessy und Dudelsack ein sehr ursprüngliches Stück Schottland abseits der üblichen Trampelpfade, wobei dank Harry Potter und Game of Thrones das Interesse an lebendiger Geschichte wieder gewachsen scheint. Nun, bei mir war sie nie erloschen….
Zuerst einmal geht es zum großen Schlachtfeld von Culloden, wo Bonney Price Charles sehr erfolgreich damit war, Schottlands Unabhängigkeit für immer zu zerstören. Aber Culloden ist nicht unser Ziel, sondern der nur wenige Kilometer entfernte bronzezeitliche Friedhof von Clava. Drei nach dem Wintersonnenwendepunkt ausgerichtete Grabanlagen sind umgeben von älteren Steinen, entweder Resten von Steinkreisen oder Ritualsteine einer vorbronzezeitlichen Kultstätte. Umgeben von uralten Bäumen, leuchtendem Stechginster und total einsam ist dieses eine der mystischsten Plätze Schottlands. Nicht weit vom Meer gelegen und über den River Nairn mit diesem in Verbindung, wäre es nicht unmöglich, dass es auch von hier aus Kontakte nach Skandinavien gab, der Cairn von Gunnarstorp ist von erstaunlich gleicher Bauart wie die Carins von Clava.
Die Pikten waren so gefürchtet, dass Rom sich nicht anders zu helfen wusste, als sich mit einem gewaltigen Wall vor ihnen zu schützen. Diese tätowierten Kelten gelten als Urschotten, auf ihren Bildern (ähnlich wie auf den irischen Kreuzen) sind die Vorgänger der heutigen Schottenröcke zu sehen. Krieger hoch zu Ross, aber interessanterweise auch viele Fabelwesen, Nessygleiche Ungeheuer, ja sogar eine Art von orientalischen Sphingen sind zu sehen auf diesen überall die schottische Landschaft zierenden Steinen. Einen Teil hat man in Museen geschafft, (Meigle) aber am schönsten wirken sie unter dem schweren grauen Himmel, der uns seit Stunden begleitet. (Steine von Aberlemno)
Zweifellos Gedenksteine, welche wichtige Ereignisse festhielten, waren sie eventuell auch Grabsteine bedeutender Fürsten oder sogar Krönungssteine wie in Irland. Wenig ist bekannt über ihren Sinn, die Reiter erinnern an die in Gotland gefundenen Steine der Vorwikinger, welche oft den Einritt der Helden nach Walhall zeigen. Jagdszenen und Kampfszenen sind ebenso zu finden, wie Bilder von Tieren (Eber, Bären, sehr realistisch, an Göbekli-Tepe erinnernd) und skytisch anmutende Hirschbilder mit ihren unglaublichen Geweihen.
Abstrakte keltische Muster zieren oft die Schäfte und bleiben ein fester Bestandteil der Stelen selbst noch in christlicher Zeit. Was ich bislang nur aus dem Museum in Edinburgh kannte, wurde auf diesem Zweitagesausflug zu einer wichtigen Ergänzung zu meinen Reisen in das mystische Großbritannien und zu einer interessanten Vorbereitung zu den irischen Kreuzen, welche der Reisediwan im Juni und Juli aufsuchen wollte…
Erlebt auf der gleichen Reise mit der MS Europa, Juni 2016