Als die Götter und Dämonen das Milchmeer quirlten, entstanden nicht nur alle Lebewesen, sondern auch der Unsterblichkeitstrank Amritar. Da Götter und Dämonen beide davon getrunken hatten, sind sie unsterblich. Als der Krug geraubt wurde und leicht überschwappte, vielen 4 Tropfen in die Flüsse Indiens. In den Ganges (die Ganga) bei Haridwar/ Rishikesh, in Ujjain in Mittelindien, in Nashik oberhalb von Mumbai, (deswegen ist Nashik wahrscheinlich Hauptstadt des indischen Weins geworden) und eben Allahabad, seit neuestem unbenannt in Prayagraj.
Hier am Zusammenfluss der Ganga mit der Yamuna, dazu der aber unsichtbaren Saraswati, (daher auch die Bezeichnung Triveni, da wo sich drei Flüsse treffen) liegt der Ort, zu dem 45 Millionen Menschen pilgern in knapp zwei Monaten im Januar und Februar 2019. Kumbh heißt einfach nur Krug und bezeichnet das Gefäß, in dem der Unsterblichkeitstrank aufbewahrt wurde, Mela heißt Volksfest.
6 ganz bestimmte Badetage während dieser Periode gelten als ganz besonders sündenabwaschend und gesegnet. Hinzu komm, dass die Nakas, die nackten Sadhus, an diesem Tage ihre große Prozession abhalten, schwer bewaffnet gehen diese Verteidiger des Hinduglaubens in die Fluten der Ganga. (Allerdings nur an den ersten drei speziellen Tagen, dazu kommt auch eine Götterprozession). Der vierte heilige Tag, der Vollmond kurz vor Ende der Mela, zieht allerdings auch noch endlose Besucherscharen an.
Die Mela ist ein Stell-dich-ein der Gurus und ihrer diversen Schulen. 13 Akhadas, Bruderschaften der Hindu- Heiligen waren immer vertreten, im Jahre 2019 kam eine neue Akhada hinzu. Die Transgender- Gesellschaft der Kinnar Akhada, angeleitet von Mutter Mahalaxmi, ist zum ersten Mal dabei und die Sensation der Mela. Die Transvestiten und Transgendergemeinde hat sich Shiva-Parvati in der halb Mann-halb Frau Position zum Vorbild genommen, ihre weibliche Manifestation zeigt Durga auf einem Hahn reitend, einem Kinnar. Mia Mahalaxmi thront und empfängt den ganzen Tag die Gläubigen. Uns wurde eine Privataudienz gewährt mit interessanten Einblicken in die Probleme der Transgender- Gesellschaft in Indien.
Egal wie lange ich noch durch Indien reise, ganz verstehen werde ich es sicher nie. Auf der Kumbh sind mir wieder einmal Dinge begegnet, die ich in 35 Jahren Indien nie gesehen habe. Ein Shiva-Sadhu, der sich rollend dreimal um den riesigen, mit Rudraperlen geschmückten Riesenphallus im Sande wälzt, Heilige, welche den Fakiren Konkurrenz machen in dem sie sich in Dornen betten, ein ebenfalls mit Rudraperlen geschmückter Anhänger Shivas, der stark an Herrn Turtur erinnert und drei schmusende Ratten und eine Kunsttaube auf seinem Hute leben lässt.
Auf der Mela trifft sich alles. Saddhus, die mit großem Spaß ins Wasser springen, Millionen gläubiger, denen dieses eine kurze Bad die ganze Welt bedeutet, ein Lärmpegel, der Tag und Nacht die Gläubigen in eine Art religiösen Trance versetzt, ein Götterzirkus, der weltweit seinesgleichen sucht. Und ein Baba-Ji, der mit dem Gangeswasser seinem Guru die Füße waschen wird, um es hinterher zu trinken. Amritar ist überall, man muss es nur zu finden wissen!