Die Gassen Klassen den blauen Himmel kaum eindringen, hoch und eng stehen die Häuser dieses unentwirrbaren Labyrinthes im tiefen Tal, strategisch gesehen ist diese uralte Stadt ein einziges Desaster. Da aber keine äußeren Feinde drohen, können wir uns beruhigt aufmachen, die gelblich-beige Stadt zu Fuß aufzusuchen. Trotz ihres Statuts als Weltkulturerbe ist sie Gott sei Dank auch heute noch keine leeres Museum, sondern eine quicklebendige Stadt mit all ihren Märkten, Schulen, Kindergärten, Bewohnern, welche ihren Beschäftigungen nachgehen.
Keine Autos weit und breit, die engen Gassen lassen den modernen Verkehr nicht zu, nur Maultiere und Eseln schleppen die schweren Lasten hinein und wieder hinaus. “Balak, Balak”, Achtung, Achtung, macht Platz, überall erklingen diese Warnrufe, Touristen sind hier geduldet aber beliebt können sie nicht gerade sein, stehen sie doch eigentlich nur und ständig im Wege.
Am tiefsten Punkt der Stadt liegt das alte Mausoleum des Stadtgründers, Idriss II. Seien grüne Dachpyramide haben wir bereits gestern beim Blick auf die ehrwürdige Stadt ausmachen können. Frisch restauriert präsentieren sich die Fassaden.
Wir können aber weder hier noch in die große Moschee wirklich hinein, seit 1912 ist es den Nichtgläubigen verboten, die heiligen Stätten des Maghreb zu betreten. Somit stört kein Reisender in unangemessener Bekleidung das stille Gebet der Gläubigen, leider können wir darum auch nicht die berühmten Moscheelampen bestaunen, welche als Siegestrophäe von Jacoub el-MAnsour von Santiago de Compostella hierher gebracht wurden. In Spanien waren sie als Glocken gegossen worden, nun läuten sie niemandem mehr zur Messe.
Die wohl schönsten Bauwerke der Stadt sind die wunderbaren und filigranen Medresen, Koranschulen der Merinidenzeit, Glanzvolle Höhepunkte arabischer Baukunst, in ihrer Raffinesse und Schönheit nur noch mit der Alhambra zu vergleichen. Ihre Stuckarbeiten sind so ausgeklügelt, ihre endlosen Kachelmuster und Sternenbilder so unfassbar, staunend steht man vor diesen zeitlosen Schöpfungen der großen Kunsthandwerker der Stadt. Holzschnitzereien und Buntglasfenster, Kalligraphie in endlosen Keramikbändern, Brunnen und in einem Falle sogar ein unterirdischer Strom, großartige Metallarbeiten an den schweren Türen, hier erlebt man einen der ganz großen Glücksfälle arabischer Kunstgeschichte.
Handwerk und Handel sind hier zu Hause, harte Arbeit hat überlebt, ungläubig schaut man auf die berühmten Gerberquartiere mit ihren riesigen Gerbetöpfen, den zum Färben ausgelegten Fellen, undenkbar, in diesem Gestank auf Dauer zu arbeiten, und doch, auch das ist ein Teil der marokkanischen Wirklichkeit. Herrliche Holzschnitzereien und wunderbare Einlegearbeiten aus zu Mosaiken zusammengestellter Keramik, Kupferkesselschläger und Spiegelmacher, Weber an archaischen Stühlen, so muss Mittelalter ausgesehen haben, hier hat sich diese “Romanze” noch erhalten.
Die Stimmen der Gebetsausrufer dringen durch alle Gassen, alle Häuser, der schöne Klang weckt die Menschen am Morgen und erinnert Abends daran, die Tore zu schließen und wohlbehütet die Nacht zu verbringen. Die malerischen und schier endlosen Friedhöfe umgeben die Stadt wie einen Schutzgürtel, ganz in der Nähe des riesigen Königspalastes mit seinen vielbesungenen Pforten liegen die Juden begraben, welche in der Stadt nach ihrer Vertreibung aus dem erzkatholischen Spanien hier ihre neue Heimat fanden. Über den stillen weißen Gräbern zieht sich ein Licht, wie es nur im Orient vorkommt, so besonders wie das Land, so besonders wie das zeitlose, das uralte, das unbeschreiblich schöne Fes…