Eine neue Erfahrung. Orient als Wohlstandsoase, modern und gepflegt, reich und gediegen. Natürlich nicht erst seit heute, denn schließlich ist am Kaspischen Meer der erste Ölboom der Erde entbrannt, schon 1848 bohrt man nach Öl, die Ölbarone schaffen sich eine luxuriöse Oase am Rande des Kaukasus. Kerosin wird damals überall gebraucht, die Menschen werden reich, die Welt wird zum ersten Mal aufmerksam auf diese bis dato unbedeutende Metropole. Die Gebrüder Nobel haben hier ihr Geld gemacht. Theater entstehen, Villen am Meer, Schlösser des Geldadels.
Als eine der 15 ehemaligen Sowjetrepubliken ist Azerbaidjan in seiner Entwicklung für Jahre aufgehalten worden und scheint nun mit aller Macht diese Jahre aufholen zu wollen. Eleganteste Straßen und Brücken führen ins Stadtzentrum, ein neuer Turm der Petrolgesellschaft ragt elegant mit 200 Metern noch nicht ganz fertig in den Himmel, das von Zaha Hadid entworfenen neue Museum ist zumindest von außen ein absoluter Hingucker und das neue Wahrzeichen der Stadt, die „flamming towers“, sind einfach nur großartig. Wenn nachts das große Lichtspektakel an ihren Fassaden beginnt ist man schlicht sprachlos, vielleicht sollten wir unsere Stadtplaner einfach nur nach Baku schicken.
Helle Sandsteinfassaden, alle sehr gepflegt, zeigen nicht nur den Wohlstand des vorvorigen Jahrhunderts, sondern mit ihren pseudoislamischen Elementen auch, dass man sich seiner islamischen Traditionen durchaus bewusst ist. Diese Häuser umstehen wie eine zweite Stadtmauer die eigentliche Stadtwehr, hinter der sich die Altstadt befindet. Moscheen und sogar ein kleiner Shahpalast finden sich in guten Händen, das kleine Museum im Inneren des Schlosses ist sehr gut aufgebaut, klein aber fein ist hier die Devise. Erstaunlich die Fragmente einer im Kaspischen Meer versunkenen Feste, arabische Kalligraphie mischt sich mit Tierskulpturen und Teufelsgesichtern.
Die Promenade der Helden ist allerdings ein trauriger Ort, eine endlose Reihe der Gräber junger Soldaten die im Krieg mit Armenien um die Enklave Berg-Karabach gefallen sind. Sie haben das Aufblühen ihrer Stadt nicht mehr erlebt und Berg-Karabach steht heute noch zwischen der Aussöhnung der beiden Kaukasusnationen.
Edellimousinen und Edelboutiquen wechseln sich ab, Reichtum wird vorgespielt wohin das Auge blickt. Prestige ist alles bei den hiesigen Oligarchen, deren Frauen auf Schuhen herumstolzieren, die jeder Beschreibung spotten. Und natürlich besteht auch dieses Reich mit seinem diktatorischen Präsidenten nicht nur aus Wohlstand, ein Spaziergang hinter den Kulissen verrät auch hier, dass die Alltagstristesse eines ehemaligen Sowjetstaates nicht von heute auf morgen verschwindet. Aber bei all dem Grün, der gepflegten Strandpromenade entlang des Kaspischen Meeres, bei all dem Leuchten und Flimmern der Türme und bei all den beleuchteten Häusern einer Belle Epoque ist diese Stadt mit Abstand die schönste zumindest wenn es um den Kaukasus geht.
Etwas außerhalb und nahe des futuristischen Flughafens trifft man auf die berühmten Bohrtürme des Landes, wie Kraniche heben und senken die Förderanlagen ihre Köpfe. Inmitten all dieser Betrieblichkeit findet sich eine eigenartige Oase der Stille, ein Tempel der Zoroastrier. Dieser sogenannte Feuertempel ist seit kurzem, da man hier die Flamme für die im Juni anstehenden European Games entzündet hat, gründlich restauriert worden und das kleines Museum ist auch hier sehr gelungen. Die ewige Flamme, die den Anhängern des Propheten Zarathustra heilig ist, brennt dank des aus der Erde austretenden Erdgases seit über 400 Jahren, auch wenn man heute etwas nachhelfen muss. Nicht nur in Iran hat diese Religion überlebt, in Mumbai, Indiens Wirtschaftsmetropole, wo man die Gläubigen als Parsen bezeichnet, spielt sie sogar eine recht große Rolle, die dortigen Türme des Schweigens sind weltbekannt.
Die Stippvisite in Baku hat sich gelohnt und man ist geneigt, mehr sehen zu wollen. Ein kleines Land welches seinen Wohlstand sichtbar einsetzt, einen unglaublich gepflegtes und auffallend modernes Stadtbild zeigt, eine Stadt, die sich genau so rasant entwickelt wie Dubai. Es wird sich lohnen, alle paar Jahre mal wieder vorbei zuschauen, man darf gespannt sein, was sich hier noch tut…