60 Grad südlicher Breite liege die Südlichen Orkney Inseln, 60 Grad nördlicher Breite ihre schottischen Schwestern. In eisiger Kälte booten wir aus, die Zodiaks landen im Treibeis auf Laurie Island und wir müssen ins eiskalte Wasser, um an Land zu kommen. Mehrere Argentinier begrüßen uns freundlich, gleich am nicht vorhandenen Anleger warten männliche Seebären und haben die Reste der steinernen Hütte von William Speirs Bruce, welcher der Schotte 1903 hier errichtet hatte, umzingelt. Die moderneren Behausungen der Argentinier sind heute aus Metall, stehen auf Stelzen und das in der von hohen Felsen eingerahmten wohl windigsten Straße der Welt. In der ältesten ununterbrochenen Forschungsstation der Antarktis wartet das Personal darauf, bald wieder nach Hause zu dürfen, verkauft teure Souvenirs und freut sich über die Abwechslung durch die Rotjacken. Das alte Haupthaus von 1905 kann besichtigt werden, Schneeschuhe liegen aus wie zum Einsatz bereit, der Schnaps steht auf dem gedeckten Tisch, die kleine Küche ist voller Vorräte, ein rührendes Heimatmuseum am Ende der Welt.
Dicke Eiszapfen hängen vor den Fenstern, unglaublich, sich vorzustellen, was passiert, falls der Kohlevorrat, der in der Ecke gestapelt liegt, zu Ende geht. In der Nähe zerrt die argentinische Fahne heftig im Wind, ein Wegweiser zeigt, wie weit die zivilisierte Welt entfernt ist. Oder besser war, denn dank der modernen Satelliten sind die Forscher und Angestellten der Station heute ja längst nicht mehr so abgeschnitten wie Anno Tobak der arme Bruce.
Der Schnee liegt hoch, man versinkt tief sobald man sich vom Hauptweg absondert und wohin man blickt warnen die Robben mit Grunzen vor einem zu nahe kommen. Sie machen allerdings unmittelbar vor dem kleinen Friedhof halt, weiße Kreuze heben sich gegen den grauen Himmel ab, in gefrorener Erde liegen Argentinier, Schotten, Norweger und ein Deutscher. Adeliepinguine stolzieren hektisch am Strand, fressen Schnee, sind interessiert an allem Fremden und scheinen hier die Herren der Orkneys, wie wir beim weiterfahren feststellen werden, riesige Eisschollen scheinen nur ihnen ganz alleine zu gehören.
Nach erfolgtem Besuch tauchen wir ein in eine durch schwimmende Eisberge und Eisschollen geprägte Wasserlandschaft, zwei Pinguine winken aufgeregt von ihrer Scholle und bizarre Berge verbergen den Horizont. Sonne auf den weißen Eiswänden, dann schlägt das Wetter mal wieder um und ein Nieselregen setzt ein, der der Schönheit der auftauchenden Coronation Island aber keinen Abbruch tut. Eiskalte Berge, eisiger Wind, frozen Planet, wir nähern uns.
Elefant Island, dank des Eises und der Winde erreichen wir es später als erwartet. Aber der ganze Vormittag war ein Traum, leuchtende Sonne über reflektierenden Eisbergen und endlosem Packeis, Pinguinen winken von ihren blau-weißen Schollen, Clarence Island liegt hinter dem Eis wie eine Fata Morgana. Dann sind wir am Ziel, sind vor Elefant Island. Ein winziges Stück Land, eingerahmt zwischen hohen Felsen und Gletschern, ein Zipfel Hoffnung in der Weite des Ozeans. Hier also haben sie gewartet, die 22 Männer der Shackleton Expedition, während ihr Boss mit dem kleinen Rettungsboot Hilfe aus Südgeorgien holte. Und dann tatsächlich nach 150 Tagen auftauchte und sie wirklich herausholte aus dieser Hölle. Eine der bewegendsten Geschichten unserer Tage. Am Strand, zwischen den unzähligen Zügelpinguinen, die Büste des chilenischen Kapitäns, Luis Pardo Villalon.
Anders als ihm ist uns die Landung hier untersagt, wir umrunden die Pinguinkolonien mit dem Zodiak, die kleinen Kerle springen ins Wasser, drängeln an Land und bringen uns wie immer zum Lachen.
Eisige Gletscher werden von ihnen als Rennbahn genutzt, sie haben wunderbare Muster in den Schnee gezeichnet, da sie anders als ich auch während des Laufens ihr Geschäft verrichten können. Dass sie dabei trotzdem immer ordentlich aussehen, ist wirklich bewundernswert.
So wie die weiteren Eisberge, welche uns ununterbrochen den Abend verzaubern.