Auf diesen Morgen habe ich lange gewartet. Bilder sagen mehr als tausend Worte und seit vielen Jahren kenne ich das Bild riesiger Königspinguin- Kolonien aber wo genau diese zu finden waren, habe ich nicht gewusst. Südgeorgien, ja, das war bekannt, aber von den Salisbury Plains hatte ich nie gehört.
Durch den gestrigen Walüberfall überzeugt von unserem Glück konnte heute Morgen nichts schiefgehen und tatsächlich, die See war mehr als ruhig als um 5.30h der Anker viel. Schneebedeckte Berge, Gletscher, zwar nicht in leuchtendem Sonnenschein, aber immerhin erreichbar. Schon von weitem hörte man das heulen der Seebären alias Fellrobben, sah, undeutlich zwar die riesige Kolonie der Pinguine entlang des Strandes und sich die Höhen hinaufziehen. Aber glauben konnten wir es erst, als wir inmitten dieser schier unendlichen Tiermassen standen, uns den Weg suchten zwischen unzähligen jaulenden Robbenbabies, zwischen den Königspinguinen, welche alle irgendwie schwer beschäftigt schienen und sich vor uns absolut nicht fürchteten oder überhaupt Notiz nahmen. Je näher wir der Hauptkolonie kamen, je trüber wurde allerdings der Himmel, ein leichtes Schneetreiben setzte, ein unglückliches Riesenbaby in braunen Pelzmantel kreuzte unseren Weg, verspottet von seinen entsetzten Verwandten.
Ander Gesellen schienen voll in der Mauser, halb zerrissene Pelzmäntel hingen ihnen über den Bauch und die Schultern, ein Girly erschien im Hula hup Kostüm und kam als Hawaiianerin verkleidet zum Federball. Am Rande der sich den Hang hinaufziehenden Kolonie hatten sich tausende von Jungtieren verkleidet, alle in hellbraun und Neandertalerartig, wie ein Schildwall standen sie vor den zigtausenden erwachsener Pinguine. Ich habe viel gesehen auf meinen Reisen, aber dieses war sicher der aufregendste Morgen meines Lebens.
Auf die jungen Robben nahmen die teils riesigen Bullen kaum Rücksicht, der Strand war bedeckt mit Kadavern winziger Seebären. Skuas und Riesensturmvögel frühstückten um die Wette und versenkten ihre harschen Schnäbel in die weichen Leiber, zerhackten ihnen die toten Augen, versprühten Augenmasse und Innereien. Ekelerregend, aber mehr als natürlich, schlimmer war der kleine und durch Pinguinsekrete völlig versaute Bachlauf den wir durchschreiten mussten, um zur Hauptkolonie zu gelangen, schleimiges Wasser voller Federn und Mausermaterial. Die Geräusche waren unbeschreiblich, das jaulen der jungen Fellrobben durchdrang die Luft, trompetende Königspinguine steckten ihre Hälse in die Luft und krakelten Neujahrsgrüße gen Grauhimmel.
Mancher Junggeselle näherte sich dann doch den rot gekleideten Störenfrieden bis auf wenige Zentimeter, drei oder vier schön gewandete Tier stolzierten im Gänsemarsch am Strand entlang während andere Vögel im Wasser den Wellen trotzten. Aber die Hauptshow war auf einen dreckschwarzen Bach verlegt, in dessen Brühe die anstürmenden Pinguine ihre Dreizehenfüße in dicken schwarzen Schlamm versenkten. Wer immer die unteren ansonsten weißen Unterleibsteile wieder sauber bekam blieb ein Rätsel; genauso wie die Ursache oder der Auslöser dieses plötzlichen Marathons durch den Morast.
Diesen Morgen kann eigentlich nichts mehr toppen. Weder die kleine Anlandung auf Prion Island noch die geplante Zodiakfahrt durch die Bucht des Herkules. Was wir heute erlebt haben, übertrifft alles, was ich erwartet habe. Und gibt allen denen recht, die schon immer gesagt haben, dass die Antarktis die wohl aufregendste Reise ist, welche man überhaupt irgendwo machen kann.
Tussackgras begleitet den hölzernen Weg hinauf auf die kleine Prioninsel, auf der einige Paare Wanderalbatrosse und Riesensturmvögel zu finden sind. Unbeweglich sitzt ein großer wunderschön und zart gezeichneter schwanengroßer Albatros auf seinem Nest, zwinkert mit dem Auge aber hat seinen Schnabel tief im schneeweißen Gefieder verborgen. Ein Riesensturmvogel nutzt die grasige Landebahn zu Flugversuchen aber sonst passiert nicht viel, außer das wieder endlose Robbenbabies und Robbenmütter sich in den Tussocksockeln ihre Schlafplätze plattgewalzt haben und ihr Gejaule die Luft durchdringt. Eine Robbenmutter zeigt uns den Weg des durch Draht sicher und Rutschfest angelegten Holzstegs und scheint sich hoch oben sicherer zu fühlen als direkt unten am Kieselstrand.