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Märchenhaftes Land an der Straße von Hormoz – Oman

Muscat ist immer wieder eine Freude, erstickt es als einzige arabische Hauptstadt nicht in Hochhäusern oder Verkehrschaos, ihre strahlend weißen Häuser sind eine Augenweide und ihr alte Corniche, die Hafenstraße des alten Handelsfleckens Mutrah eine Freude. Und doch verweilt man hier nicht lange, stattet der wirklich schönen Moschee des Sultans Qaboos seinen Pflichtbesuch ab und kann es kaum erwarten, in die Wadis und Wüsten zu kommen, in die grandiosen Berge und endlosen Palmenhaine, die Terrassenfelder und die zerfallenen Lehmdörfer. Erste Eindrücke sammeln wir im Wadi Shaab, dem Tal der Jugend, spazieren im Anschluss in das Wadi Tawi und staunen überall über das ausgeklügelte Falaj- Bewässerungssystem des Landes. Glaubt man sich in einer reinen Steinwüste, wird man bald eines besseren belehrt, die Wasserläufe verlaufen überall, Seen bilden sich auf den Canyontälern, Palmen, Granatäpfel, Bananen und Papaya sind keine Seltenheit, Futterklee und Zwiebeln wachsen unter den Palmen und überall erfreut sich das Auge an üppigem Grün.

Blick auf das alte Muscat

Blick auf das alte Muscat

Zwar gibt es außer Muscat und Salalah kaum nennenswerte Städte, doch auch kleine Ortschaften überraschen mit Sehenswertem. Sur gehört für mich zu den schönsten Beispielen, diese alte Kaufmannsstadt war einmal Haupteinfuhrhafen für den Sklavenhandel mit Sansibar und Ostafrika. Wie überall im Oman ist man mit den alten Häusern nicht gut umgegangen, aber von der weiten Strandpromenade aus macht sie immer noch einen sehr schönen und malerischen Eindruck. Alte Dhaus liegen auf dem flachen Boden der Bucht, Reiter galoppieren am Strand, die Jugend spielt Fußball und Hunde durchwühlen die Abfälle. Mit „Sindbad, dem Seefahrer“ in der Hand spazieren wir lesend durch die Stadt und genießen den auf der arabischen Halbinsel überall angebotenen Hammour Fisch, den recht großen Zackenbarsch, auch wenn er meist etwas zu trocken zubereitet wird, aber Oman ist nun mal nicht für drei-Sterne Köche berühmt.

Das alte Sur

Das alte Sur

Am östlichsten Punkt der arabischen Halbinsel angelangt, erwarten wir in unserem eher schlichten Hotel sehnsüchtig den Abend, wir wollen den Suppenschildkröten (Green turtle) bei der Eiablage zuschauen, auch wenn wir schon etwas außerhalb der Saison sind. Und es gelingt uns tatsächlich, drei Schildkröten zu treffen, eine deckt gerade mit heftig rudernden Bewegungen ihre Ablage wieder zu, eine weitere kriecht, eine gewaltige Spur im dunklen Sande bilden, den Strand hinauf und unsere glücklichste Begegnung ist sicher die Nummer drei, müht sie sich unter Qualen, ihre Eier in eine tiefe Gruppe zu pressen, alle paar Sekunden fällt wieder eines der Golfballgroßen Eier in die Tiefe. Da stört es kaum, das elf weibliche und eine männliche amerikanische Schildkröten mit ihren Taschenlampen versuchen, diesem Spektakel ebenfalls beizuwohnen. Ein unglaubliches Erlebnis, ich hatte nicht an den Erfolg unserer Mission geglaubt!

Suppenschildkröte beim bedecken ihres Geleges

Suppenschildkröte beim bedecken ihres Geleges

Die Sonne will nicht recht aufgehen am Ras el-Jinz, Wolken liegen vor ihr am Horizont, nur langsam erwachen die spektakulären Felsen zu Licht und Leben, dann aber ist kein Halten, die Kulisse ist einfach grandios. Möwen ziehen ihre Kreise, im Sande finden sich überall die Treckerspuren der nächtlichen Besucher und ab und zu liegt eine Minischildkröte, welche es nicht bis zum Meer geschafft hat, tot im Sand. Eine uns entgegen Hechelnde wird zumindest bis zum Wasser getragen, bevor sie dort wahrscheinlich einem ihrer endlosen Feinde ins Netz gerät, von 100 Schildkrötenbabys überleben in der Regel nur drei. Die wunderbar leuchtenden Felsen könnten sicher viel erzählen von all dem Elend und Leid des Geburtenkreislaufs, seit Jahrmillionen gehen die Schildkröten hier an Land, um den Fortpflanzungszyklus aufrecht zu erhalten.

Ras el-Jinz, östlichster Punkt der arabischen Halbinsel

Ras el-Jinz, östlichster Punkt der arabischen Halbinsel

Wahiba Sands, Dünen so groß wie Mittelgebirge, bilden eine Barriere zwischen dem Zentraloman und der Provinz Dhofar im Süden. Leuchtend rot, saharagelb, in langgestreckten Tälern, in denen unsere Geländewagen eindringen, um uns zu unserem zauberischen Camp inmitten der Dünen zu bringen. Die Toiletten sind ausgehoben, die englische Köchin hergeholt, es kann also nichts mehr schiefgehen in unserer exklusiven Herberge inmitten des Nichts. Am Himmel tanzen die Feuervögel eines Stravinsky, versteinerte Dünen begeistern jeden Steinsammler, junge Rennkamele begleiten uns am Anfang der Strecke, wir driften immer tiefer ein in die Welt des endlosen Sandes und verlieren jedes Zeitgefühl. Wilfred Thesiger hatte mit seinen Beduinen sicher kein solch leichtes Spiel, immer den Tod vor Augen bei seinen zwei Durchquerungen des Rubb- el Khali, des leeren Viertels, wir huldigen seine Leistungen mit einer Lesung am nächsten Morgen.

Wahiba Sands

Wahiba Sands

Der Orion liegt tief über den Dünen, eine Gruppe omanischer Musiker verzaubert uns den Abend unter dem schwarzen Himmel, kein weiterer Laut ist zu hören. Der mitgebrachte Wein macht die Runde und nach anfänglichen Einsteigerschwierigkeiten sind wir langsam völlig entspannt und als uns ein sechsbeiniges Lamm präsentiert wird ist das Glück vollkommen, eine Steigerung kann es nicht geben und wir schlafen wie in Abrahams Schoss, niemand hätte sich gewundert, wenn er tatsächlich persönlich aufgetaucht wäre im Schatten der großen Dünen.

Luxuscamp nur für uns - Reisediwan eben

Luxuscamp nur für uns – Reisediwan eben

Im Wadi Khalid zeigt sich, dass wir nicht zu den an Strapazen gewöhnten Wüstensöhnen gehören, die Kanten der Falajkanäle, schlammig und manchmal recht nahe dem Abhang, machen uns mehr zu schaffen, als wir zuzugeben bereit sind. Also machen wir im Tal mit seinem reichlichen Wasser nur eine Stippvisite und besuchen dafür schon an diesem Tag das malerische Dorf von Al- Mudayrib. Sicher muss ich niemandem erklären, wie sehr mich wie ja immer die alten Lehmhäuser, Wohnburgen und Wehrtürme begeistern, auch wenn sie nur ein Abklatscht ihrer selbst sind. Aber es ist nun einmal so, dass man zurzeit jedenfalls nicht in den Jemen kann, und so ist der Oman der beste „Ersatz“, den wir in diesem Bereich der Welt für den Jemen haben.

Alter Markt von Al-Mudayrib

Alter Markt von Al-Mudayrib

Zurück im Camp erfreue ich mich zumindest selbst an meiner Lesung „Alishar und Zumurud“, einer weiteren Geschichte aus 1001 Nacht. Pasolini hat sie in seinem Film „Mille et una Noche“ wunderbar verfilmt, es ist so unglaublich schade, dass er uns durch seine Ermordung so früh genommen wurde. Sein Einfühlungsvermögen in den Orient wäre heute gefragt und aktuell wie lange nicht. Zumindest aber leben die Geschichten der Sheherazade weiter, solange es Menschen gibt, welche sie vorlesen und solche, welchen ihnen gern lauschen.

Alt-Mudayrib

Alt-Mudayrib

Der Aufbruch aus der Wüste fällt fast ein bisschen schwer, wir trösten uns mit arabisch-andalusischer Musik und erreichen eine Wunderwelt, welche uns über den Wüstenabschied hinweghilft. Ibra mit seinem alten Restbestand von Lehmarchitektur war ja schon ein Highlight, aber der erste Blick auf das Wadi Birkit el-Mawz ist eine der unglaublichen Überraschungen in diesem an Schönheiten so reichen Land. Hunderte von gleichmäßigen Palmwedeln liegen unter uns, ein schroffes Gebirge schließt dieses Wundertal ab und an den Hängen kleben in jemenitischer Manier zwei uralte Dörfer, zumindest von weitem vermute ich reine Lehmarchitektur. Das soll sich zwar bei näherem Hinsehen nicht unbedingt als Wahr herausstellen, tut aber der unglaublichen Freude keinen Abbruch. Der Weg durch die Palmenhaine erinnert an Südmarokko, hier könnte Pasolini seine orientalischen Lustgärten gefunden haben.

Birkit el-Mawza

Birkit el-Mawz

Der Weg durch das verfallene aber noch nicht ganz verlassene Dorf ist steil und beschwerlich, aber ich könnte hüpfen vor Freude, alles ist unglaublich ansprechend, alte Fenster und Türen natürlich, verwunschene Fenster, Kanäle, welche inmitten der Gassen fließen, ein Aussichtspunkt an höchster Stelle, ein gewagter Abstieg hinter dem Dorf, wie Fluchtwege liegen kleine Türen kaum sichtbar im Mauerwerk, Ziegen balgen sich auf schrägen Hängen. Eigentlich fehlt nur noch ein kleiner romantischer Funduk, und wir hätten unser Ziel für die Nacht gefunden. Aber das soll nicht sein, somit nehmen wir noch die steile Auffahrt auf wunderbarer Straße auf uns und betten uns dann ganz standesgemäß im gekonnt in die Landschaft gesetzten Alila Hotel, Omans hoch im Djebel al-Akhdar gelegenes Luxushotel im modernistisch-gelungenen Stil. Philippinische Angestellte, wenige Omanis, gute Küche und endlich auch eine Weinlizenz, unser Glück kennt keine Grenzen, nachdem wir den letzten Sand aus den Taschen geklaubt haben.

Unterwegs in einem Wadi

Unterwegs in einem Wadi

Fast ist man geneigt, den Tag im Hotel zu verbringen und einfach in die grandiose Landschaft zu schauen, zu lesen und zu träumen. Aber wir haben eine kleine Wanderung geplant und wie die Gämsen klettern wir hinunter ins Tal, entlang der üblichen Kanäle, an Terrassen vorbei mit ihren ausgeklügelten Bewässerungssystemen und kleinen Schleusen, bewundern Granatbäume und Mais, Hirse und Walnussbäume und schauen immer wieder auf die sogenannten Rosendörfer, wird hier doch die kleine Heckenrose angebaut, dessen aus ihren Blüten gewonnenen Duftwasser im Orient so beliebt ist. Leider sind alle Häuser modernisiert und sehen nur von weitem malerisch aus, beim näher kommen erkennt man keinen Grund, sie länger in Augenschein zu nehmen. Also klettern wir am Kanal entlang wieder hinauf und sind erleichtert, als wir nach fast anderthalb Stunden wieder von unseren Toyotas empfangen werden. Den Abstieg im Wadi Beni Habib traut sich dann nur noch die Hälfte aber die dortigen Häuser sind seit dem Krieg um den Djebel Akhdar so zerschossen, dass sich der Besuch hier absolut nicht lohnt. Schade, aber nicht zu ändern, so kommen wir doch noch in den Genuss des Hotels und seiner Annehmlichkeiten.

Terrassen wohin das Auge blickt

Terrassen wohin das Auge blickt

Nizwa ist die zweite wichtige Stadt des Landes, ehemals sogar Hauptstadt des Imamats, welches sich nicht zum Oman zugehörig fühlte. Das Fort ist genauso überrestauriert wie die sogenannten Souks, mit echten Bazaren haben sie nichts mehr zu tun, ihre Hallen sind leer, kein Treiben und Feilschen ist hier zu Hause, fast meint man sich in einer Geisterstadt. Nur die biblischen Gesichter der Männer versöhnen mit diesem sterilen Ort. Ganz weglassen kann man ihn allein wegen seiner ehemaligen Bedeutung nicht und wir verlassen ihn mit Datteln und Weihrauch beladen und ziehen weiter zum Wadi Nakhar.

Auf dem Markt zu Nizwa

Auf dem Markt zu Nizwa

Der Grand Canyon des Oman, das Wadi Nakhar ist der landschaftliche Höhepunkt der Reise. In seinen Strukturen erinnert er tatsächlich an den Grand Canyon, ist aber natürlich viel kürzer und weit weniger farbig. Man ist geneigt, hinabzusteigen in diese Unendlichkeit, kann nicht glauben, dass hoch über einer Steinnische tatsächlich noch Terrassenanbau möglich ist, kaum vorstellbar, dass man auf diesen so sehr am Hang gelegenen Feldern nicht vor Angst heruntergefallen ist.

Grand Canyon of Oman

Grand Canyon of Oman

Mit Blick auf den Canyon genießen wir das kleine Mittagessen unter blauem Himmel und machen uns dann auf, die letzten Stein- und Lehmdörfer zu besuchen, welche uns noch verbleiben.
In Misfat el-Abriyeen ist es der schöne und uralte Torwächter, welcher am meisten fasziniert, enge offene Tore führen über Steingassen und Stiegen hinunter zu weiteren Falaj und in der Ferne grüßen Sternvermessungstürmchen, welche in alten Zeiten dem Wassereinteilen dienten. Die Lage des alten Dorfes ist genauso schön wie neulich die Dorfanlage im Birkit el-Mawz, von weitem könnte man wieder glauben, dass es sich um ein intaktes und noch nicht verlassenes Dorf handelt. Aber das täuscht genauso wie in Al-Hamra, der ebenfalls an einer Palmenoase gelegene letzte Station des Tages. Ein Hauch von Hadramaut liegt über der fast gänzlich verlassenen Siedlung, ein Hauch von Jemenersatz, eine traurige Nostalgie. Als wir hoch über dem Dorf noch einmal zurückblicken, trägt „Die Rote“, wie ihr Name übersetzt lautet, ihren Namen zu vollem Recht. Schade eigentlich, dass wir ab morgen Mittag solche Dörfer nur noch auf unseren Bildern betrachten können….

Misfat eö-Arbiyeen, Tor

Misfat el-Arbiyeen, Tor

Abschied vom Oman, das bedeutet für uns noch einmal zwei gigantische Forts im Landesinneren. Bahla ist für mich immer schon die schönste Festung des Oman gewesen, vor allem von weitem ist die Anlage großartig. Dafür besticht Jabrin durch seine Inneneinrichtung, vor allem das wunderschöne und mit Koransuren verzierte Treppenhaus verdient unsere Beachtung. Aber langsam ist es genug, in acht Tagen haben wir mehr gesehen als andere Menschen in ihrem Leben. Also heißt es, zufrieden sein und glücklich wieder heimzureisen, aber nur mit dem Plan im Kopf, das nächste Mal das leere Viertel aufzusuchen, denn dort hören die Dünen nicht auf, bevor sie den Himmel erreicht haben!

Felaj - die alten Bewässerungssysteme sind heute Weltkulturerbe

Felaj – die alten Bewässerungssysteme sind heute Weltkulturerbe

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